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Risiko Ist Mehr Als Volatilität Und Der VIX Index

Die Jahresmitte rückt näher, die Märkte scheinen uns mit der jüngsten Entspannungsphase in ein frühes Sommerloch zu führen. Man könnte fast geneigt sein, im Jahr 2023 ein ganz anderes Jahr zu sehen als 2022. Doch obwohl sich der Verlauf der Aktienkurse geändert hat, bleibt das makroökonomische Bild unserer Meinung noch so unklar wie zuvor. Die Unsicherheit rund um die Inflation und die Zinssätze ist nach wie vor groß, die geopolitischen Spannungen nehmen weiter zu, die Bankenkrise infolge des Zusammenbruchs der Silicon Valley Bank ist noch nicht überwunden und künstliche Intelligenz wird unsere Welt offenbar von Grund auf verändern.

In den letzten drei Jahren gab es so viele „Ereignisse“, dass uns unweigerlich Lenins berühmtes Zitat in den Sinn kommt: „Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert, und Wochen, in denen Jahrzehnte passieren.“ Gefühlt war die letzte Zeit voll von solchen Wochen.

Wie sollen wir mit der Volatilität umgehen?

Die wahrgenommene erhöhte Volatilität spiegelt sich in den Daten wider. Wenn wir ein langfristiges Diagramm des VIX Index (der die Markterwartungen in Bezug auf die Volatilität misst) aus dem Jahr 2012 betrachten, so bewegte sich der VIX hauptsächlich in einer Spanne von 10 bis 20, mit gelegentlichen, kurzen Spitzen über 30. Seit 2020 hat sich diese Spanne auf 15 bis 30 verlagert, wobei die 30er-Marke mehr als 10-mal durchbrochen wurde, und dies oft mehrere Tage lang. Als Fondsmanager haben wir, wenn wir mit Perioden hoher Marktvolatilität konfrontiert sind, im Großen und Ganzen zwei Möglichkeiten: Entweder wir nehmen die makroökonomische Situation unter die Lupe und handeln dementsprechend. Oder wir wenden eine Strategie an, die dies überflüssig macht. Wir haben uns für den zweiten Ansatz entschieden.

Abbildung 1: VIX Index, 26. Mai 2013 – 26. Mai 2023

Quelle: Bloomberg, Seilern Investment Management Ltd. 2023

Die Sache hat nur einen Haken: Wenn man einen Standpunkt einnimmt, kann man sich natürlich auch irren. Selbst wenn es einem irgendwie gelingt, die Entwicklung der Makrobedingungen richtig vorherzusehen, lässt sich das Risiko des richtigen Markt-Timings nie ganz ausschalten, worin aus verschiedenen Gründen die Herausforderung besteht (Market Timing). Doch am wichtigsten ist hier, dass man durch Timing und den Versuch, die schlechtesten Tage zu vermeiden, auch Gefahr läuft, die besten Tage am Markt zu verpassen. Dazu kann es tatsächlich leicht kommen, da die Tage mit der stärksten Performance tendenziell in Zeiten hoher Volatilität liegen. Dementsprechend schwierig ist es, Vorteile aus den besten Tagen zu ziehen und die schlimmsten zu vermeiden, und wir glauben nicht, dass dies im Bereich unserer Möglichkeiten liegt.

Risiken steuern

Die Marktvolatilität kann selbstverständlich nicht völlig ausgeblendet werden. Doch wir haben ein Verfahren, das gestattet, uns bei Investmententscheidungen nicht davon leiten zu lassen. Denn – im Gegensatz zu vielen anderen – setzen wir Aktienvolatilität nicht mit Risiko gleich. Für uns als langfristige Anleger besteht das eigentliche Risiko darin, dass unsere Unternehmen nicht den von uns prognostizierten Gewinn oder Cashflow erwirtschaften und wir am Ende dauerhafte Kapitaleinbußen hinnehmen müssen1.

Wir steuern dieses Risiko, indem wir erstens viele „risikoreichere“ Branchen von Vornherein ausschließen. Wie Marco in unserem März-Newsletter erläuterte (Von der Kunst, Nein zu sagen), schließen wir rund 50 bis 60 % der in Betracht kommenden Unternehmen auf Basis unserer 10 Goldenen Regeln aus. Bei diesen Regeln handelt es sich um Mindestkriterien, die alle Unternehmen erfüllen müssen, bevor wir in sie investieren können, und es gibt eine ganze Reihe von Branchen, die diese Regeln per definitionem nicht erfüllen, weshalb wir sie von Vornherein ausschließen.

Banken zum Beispiel stolpern über viele unserer Goldenen Regeln, wobei das größte Problem darin liegt, dass sie keine klare und transparente Rechnungslegung vorweisen können. Das macht es für uns schwierig, ihre Bilanzen zu verstehen und das Risiko zu beurteilen, das wir mit einer Anlage eingehen würden. Dies wurde uns auch während der globalen Finanzkrise und, nur 15 Jahre später, mit dem Zusammenbruch der SVB, der First Republic und der Credit Suisse deutlich vor Augen geführt.

Ebenfalls steuern wir Risiken, indem wir unsere Unternehmen genau kennen. Unser Investment-Team besteht aus neun Mitarbeitern, die tiefgehendes Research durchführen, um jene Unternehmen ausfindig zu machen, die dem Auf und Ab der Konjunkturzyklen am wenigsten ausgesetzt sind und defensive Merkmale aufweisen, die ihnen in schweren Zeiten Schutz bieten. Dieses Team unterzieht die Unternehmen in unseren Portfolios einer ständigen Analyse und Neubewertung. Dies erlaubt uns, auf unsere eigenen Investment-Thesen zu vertrauen, anstatt uns auf die Unwägbarkeiten der Aktienkurse zu fixieren.

Es ist nicht einfach, in einem Newsletter in aller Kürze zu vermitteln, welchen Aufwand wir beim Research zu neuen Ideen und der Kontrolle unserer Portfoliounternehmen betreiben. Unsere Basisberichte spiegeln zumindest einen Teil unseres Prozesses wider. Dabei handelt es sich um Initiationsdokumente, die wir für Unternehmen verfassen müssen, bevor sie in das Seilern-Universum aufgenommen werden können. Diese Berichte zählen zwischen 80 und 200 Seiten, und wir schreiben mitunter bis zu zwölf Monaten an ihnen. Sie enthalten unter anderem detaillierte Analysen zur Branche, zur Wettbewerbssituation des Unternehmens, seiner langfristigen Strategie und zu seinen Stärken, Schwächen und Risiken. Wir sehen uns die Annahmen, die in unsere Finanzmodelle einfließen, und die 10-Jahres-DCFs, die unseren Bewertungen zugrunde liegen, genau an. Der Rahmen für die Unternehmensführung, das Anreizsystem für das Management und die dem Unternehmen zugrunde liegenden Eigentumsverhältnisse werden nicht weniger sorgfältig geprüft. Hinter all dem stehen zahlreiche Stunden, in denen wir uns durch Jahres- und Quartalsberichte, Gewinnmitteilungen und Branchenberichte arbeiten und Gespräche mit Kunden, früheren Mitarbeitern, Mitbewerbern und dem Management führen. Zu guter Letzt werden diese Basisberichte im Rahmen unserer regelmäßigen und (oft sehr intensiven) Investmentsitzungen einer ständigen Peer-Review und Feedback-Schleife unterzogen. Kurz gesagt, es steckt eine Menge Arbeit dahinter!

Die Vorteile eines langfristigen Ansatzes

Ein weiter Faktor, mit dessen Hilfe wir uns nicht von der Marktvolatilität ablenken lassen, ist unser langfristiger Ansatz. Langfristiges Investieren ist eine der zentralen Überzeugungen von Seilern. Unsere Unternehmenskultur und unser Geschäft – von der Rechtsform unserer Gesellschaft über die Vergütungspolitik bis hin zu unserer Vertriebsstruktur und nicht zuletzt unserem Investmentprozess – sind darauf ausgerichtet, diese Philosophie voll zu unterstützen.

Bei „langfristig“ denken viele an ein Jahr oder gar an sechs Monate. Aber unser Ansatz ist wirklich langfristig. Die durchschnittliche Haltezeit in unseren Fonds beträgt sechs Jahre, und manche Positionen halten wir seit mehr als zehn Jahren, manche sogar seit mehr als zwanzig Jahren. Unserer Ansicht nach sind es die Gewinne, die für die Aktienkurse ausschlaggebend sind. Ihre Wirkung ist umso größer, je länger Sie die Aktien behalten. Über kurze und mittlere Zeithorizonte leistet die Bewertungsausweitung (Multiple Expansion) bzw. -kompression immer noch einen ziemlich großen (positiven oder negativen) Beitrag zur Gesamtrendite einer Aktie. Doch wenn man einen Titel länger hält, schlägt dieser Faktor zunehmend weniger zu Buche. Wenn wir die Renditen des S&P 500 in den letzten 60 Jahren über rollierende 20-Jahres-Zeiträume hinweg betrachten, erkennen wir, dass alle Renditen auf das Gewinnwachstum des Unternehmens zurückgeführt werden können. Natürlich ist das nur ein geringer Trost, wenn man kurzfristig eine Underperformance hinnehmen muss, vor allem, wenn sie so ausgeprägt ist wie im letzten Jahr. Doch das Schlimmste, was Sie jetzt tun können, wäre, die Aktie zu verkaufen und so den Verlust zu zementieren. Wir halten eine Aktie letztlich so lange, wie ein Unternehmen in der Lage ist, weiter nachhaltiges Gewinnwachstum zu generieren.

Abbildung 2: S&P 500 Zusammensetzung von Renditen 1962-2022

Quelle: Standard & Poors, Seilern Investment Management Ltd. zum 30. Dez. 2022

Auf Kurs bleiben

Unser Investment-Team überprüft laufend, ob unsere Portfoliounternehmen noch die Voraussetzungen für dieses Wachstum haben. Während der ganzen Volatilität der letzten 18 Monate haben die Fundamentaldaten unserer Unternehmen Resilienz bewiesen. Dies zeigt sich auch daran, dass ihre Gewinnprognosen dieses Jahr insgesamt nach oben korrigiert wurden, während für den breiten Markt das Gegenteil der Fall war. Tatsächlich weisen jene Unternehmen in unserem Portfolio, die 2022 am schlechtesten abgeschnitten haben, in diesem Jahr die beste Performance auf. Auch wenn dies zum Teil auf die Zinsentwicklung zurückzuführen ist, ist ausschlaggebend, dass Sie während des gesamten Zeitraums ungebrochen die Nachhaltigkeit ihres langfristigen Gewinnwachstums unter Beweis gestellt haben, und dies bei oft ausgezeichneten Zwischenergebnissen. Daran wird deutlich, dass die Volatilität und externe Faktoren zwar eine Weile Einfluss auf einzelne Titel haben, es jedoch letztlich auf die Fundamentaldaten eines Unternehmens ankommt.

Wir bei Seilern sind vielmehr an der fundamentalen Entwicklung der Gewinne unserer Portfoliounternehmen interessiert als am kurzfristigen Verlauf ihrer Aktienkurse. Wir konzentrieren uns in erster Linie darauf, unseren Kunden konsistente und konzentrierte Portfolios von Quality Growth Unternehmen zu bieten, und wir werden diesen Kurs beibehalten, unabhängig vom Grad der makroökonomischen Unsicherheit und der Volatilität der Märkte.


1Dazu könnte es theoretisch aus verschiedenen Gründen kommen. Zum Beispiel könnten wir in ein Unternehmen investieren, dessen Qualität geringer ist, als wir zuvor annahmen, und dessen Umsatzwachstum hinter den Erwartungen zurückbleibt, was zu einer Reihe von Gewinnwarnungen führen könnte. Die Folge wäre weiteres Research mit dem Ergebnis, dass das Unternehmen keinen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil besitzt und somit eine unserer 10 Goldenen Regeln bricht, was uns zwingen würde, die Position zu einem geminderten Wert zu verkaufen, bevor weitere Gewinnwarnungen eintreten. Dies würde zu einem dauerhaften Kapitalverlust führen.


Jegliche Prognosen, Meinungen, Ziele, Strategien, Ausblicke und/oder Schätzungen und Erwartungen oder andere nicht-historische Kommentare, die in diesem Dokument enthalten sind oder darin zum Ausdruck kommen, basieren ausschließlich auf aktuellen Prognosen, Meinungen und/oder Schätzungen und Erwartungen und gelten als „zukunftsorientierte Aussagen“. Zukunftsgerichtete Aussagen unterliegen Risiken und Unsicherheiten, die dazu führen können, dass die tatsächlichen zukünftigen Ergebnisse von den Erwartungen abweichen. Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten, Prognosen, Meinungen oder Schätzungen und Erwartungen spiegeln die bestmögliche Einschätzung von Seilern Investment Management Ltd zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Mitteilung wider und können sich jederzeit ändern. Es wird keine Verantwortung oder Haftung für die Änderung, Berichtigung oder Aktualisierung der hierin enthaltenen Informationen oder Prognosen, Meinungen und/oder Schätzungen und Erwartungen übernommen.

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