Im Newsletter des letzten Monats haben meine Kollegen Michael Faherty und Quentin Macfarlane festgestellt, dass trotz der großen Korrektur, die wir in diesem Jahr auf dem Markt gesehen haben, bei den Unternehmen, in die wir investiert haben, nichts fundamental Schaden genommen hat (den kurshalten). Aktien wurden vor allem aufgrund des extrem schnellen Anstiegs der Zinssätze, den wir im Laufe dieses Jahres beobachtet haben, abverkauft. Unterdessen dreht sich der Großteil der aktuellen Marktdiskussionen weiterhin um die künftige Entwicklung von Zinsen und Inflation. Da gibt es jene, die das jüngste Nachlassen der Inflation als Zeichen dafür sehen, dass das Schlimmste hinter uns liegen könnte. Andere hingegen befürchten, dass die optimistische Stimmung, die wir zu Beginn des Monats erlebt haben, kaum mehr ist als der Sirenengesang einer Bärenmarkt-Erholung.
Wie immer gibt es überzeugende Argumente auf beiden Seiten dieser Kluft. Der Quality Growth Anleger mit einer langfristigen Perspektive kann sich jedoch den Luxus leisten, diese Debatte gänzlich zu ignorieren. Im Großen und Ganzen ist ein von hohen Zinsen geprägtes Umfeld nicht schlecht für Quality Growth Aktien. Was sich wirklich auf die Bewertungen unserer Unternehmen auswirkt, ist nicht, wo die Zinsen letztlich enden, sondern vielmehr die Geschwindigkeit und Richtung ihrer Entwicklung. Steigende Zinsen drücken den aktuellen Wert von Anlagen mit langer Laufzeit, sinkende Zinsen kommen ihnen zugute. Um dies zu verstehen, muss man unterscheiden zwischen dem Zeitpunkt, an dem man einen dauerhaften Kapitalverlust erlitten hat, und dem Zeitpunkt, an dem man einfach sieht, dass Aktienkurse sinken, aber künftig wieder höhere Renditen bringen werden.
Der makroökonomische Hintergrund und seine Folgen
Die Zinserwartungen haben in den letzten zwei Jahren eine wilde Achterbahnfahrt hingelegt und die Märkte dabei mitgenommen. Wenngleich der allgemeine Eindruck über das gesamte Jahr 2021 so war, dass Zentralbanken der Entwicklung hinterherhinkten, bot sich 2022 für Anleger ein ganz anderes Bild. Die US-Notenbank ging von ihrer nachdrücklichen Behauptung, die Inflation sei nur vorübergehend, dazu über, sich auf den Geist von Paul Volcker zu berufen, um ihre Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die Inflation nur ein Jahr später zu stärken. Der Grund für diese Kehrtwende besteht darin, dass Zentralbanken, insbesondere in den USA, offenbar entschlossen sind, nicht die Fehler der 1970er-Jahre zu wiederholen. Ein effektiver Umgang mit Inflation bedeutet für sie drei Dinge. Erstens müssen sie das Angebot wieder in Einklang mit der Nachfrage bringen. Zweitens – und das ist noch wichtiger – müssen sie den Lohndruck in den Griff bekommen. Drittens müssen sie diesen Zustand lange genug aufrechterhalten, damit die Inflationserwartungen sinken können, um so den Fehler zu vermeiden, den die Fed unter Arthur Burns in den 1970er-Jahren begangen hatte. In diesem Zeitraum führte die Fed zwar durch Zinserhöhungen zwei Rezessionen (1969/70 und 1973/75) herbei, diese Erhöhungen waren jedoch nicht aggressiv oder hartnäckig genug, um die Inflationserwartungen zu dämpfen. Zu ihrem Pech sind die Inflationserwartungen ausschlaggebend und stellen eine Art selbsterfüllende Prophezeiung dar. Je länger die Inflation anhält, umso mehr wird sie in der allgemeinen Psychologie und im Verhalten verankert und umso teurer wird es für Zentralbanken, sie zu bekämpfen.
Mit Blick auf die aktuelle Situation sehen Zentralbanken allmählich Anzeichen dafür, dass sich die Inflation, die ursprünglich durch die Lieferkettenengpässe angetrieben wurde, auf die Preise für Dienstleistungen und auf die Löhne verlagert. Das sind die sogenannten Sekundäreffekte, die für Zentralbanken viel besorgniserregender sind. Je mehr sich dies verfestigt, umso schwieriger und kostspieliger wird es für Zentralbanken, die Inflation wieder einzudämmen. Um sie kontrollieren zu können, dürfen die Löhne nicht weiter steigen, da sie der wahre Kern des Problems sind. Dies erfordert wiederum einen Anstieg der Arbeitslosenquote – und zwar einen ziemlich deutlichen Anstieg. Sie (die Zentralbanken) brauchen eine Rezession und diese Rezession muss lange genug anhalten, damit die Inflationserwartungen nachlassen. Das heißt, sie muss so lange dauern, dass Unternehmen die Preise nicht mehr erhöhen (das tun sie nämlich, wenn sie befürchten, dass ihre Kunden die Preiserhöhungen nicht akzeptieren) und auch die Löhne ihrer Mitarbeiter nicht mehr erhöhen (das passiert dann, wenn mehr Menschen Arbeit suchen als es verfügbare Stellen gibt). Das klingt zwar alles ziemlich beunruhigend, doch der Grund, warum Zentralbanken dies anstreben, liegt darin, dass sie die Alternative als weitaus schlimmer erachten. Eine lang anhaltende Inflationsphase kann für die Wirtschaft gravierende Folgen haben.
Eine Rezession herbeizuführen, wird in den USA nicht ganz so einfach sein. Nachdem die Verbraucher einen Großteil ihrer Covid-Hilfen angespart haben, stehen sie recht gut da – und schließlich ist die Wirtschaft in den USA eine konsumgetriebene Wirtschaft. Darüber hinaus stehen den Zentralbanken als einziges Instrument die Zinssätze zur Verfügung, und das ist ein grobes Instrument mit deutlicher Verzögerung. Wir könnten daher weiterhin ein recht chaotisches Umfeld sehen, in dem Zentralbanken die Zinsen weiter erhöhen in ihrem entschlossenen Bemühen, die Wirtschaft und insbesondere das Lohnwachstum zu verlangsamen, und in dem die Marktteilnehmer weiterhin darauf wetten, wie die Zinsen sich entwickeln könnten. Bis auf Weiteres scheint es, als sei der Markt anhaltend von der Volatilität beim Thema Zinserwartungen abhängig.
Folgen für den Quality Growth Anleger
Auch wenn all dies eher düster stimmen mag, gibt es tatsächlich eine Reihe positiver Faktoren. Der erste: Insgesamt sind die Unternehmen, in die wir investiert haben, weniger zyklisch. Eine starke Rezession wird selbst bei unseren Unternehmen zu Gewinnherabstufungen führen, doch in der Vergangenheit waren diese tendenziell geringer als auf dem Markt im Allgemeinen. Darüber hinaus sollten Qualty Growth Unternehmen wesentlich besser positioniert sein, um dem Druck durch höhere Zinssätze standzuhalten. Hier ist es enorm wichtig, zu unterscheiden zwischen den Auswirkungen der Zinssätze auf ein Unternehmen und ihren Auswirkungen auf die aktuelle Bewertung eines Unternehmens.
Der Unterschied zwischen höheren zukünftigen Renditen und permanentem Kapitalverlust
Die Bewertung eines Unternehmens hängt von zwei Faktoren ab. Einerseits sind da die Cashflows, von denen der Anleger erwartet, dass ein Unternehmen sie im Laufe seiner Lebenszeit generiert. Andererseits gibt es den Diskontsatz, der auf diese Cashflows angewendet werden soll. Änderungen der Zinssätze wirken sich darauf aus, wie viel diese Cashflows heute wert sind. Sie sollten sich jedoch (wenn alles andere unverändert ist) nicht auf die Cashflows auswirken, die Sie von einem Unternehmen in Zukunft erwarten. Genau wie bei einer Anleihe drücken steigende Zinssätze den aktuellen Wert der Cashflows, sind jedoch Ausdruck höherer künftiger Renditen und nicht Ausdruck eines dauerhaften Kapitalverlustes. In der realen Welt ist jedoch nicht alles andere gleich, da das Zinsumfeld erhebliche Auswirkungen sowohl auf die Investitionsbereitschaft als auch auf die Investitionsfähigkeit eines Unternehmens haben kann. So sind zum Beispiel Unternehmen, die noch nicht profitabel sind, zur Finanzierung ihrer Investitionen auf externe Mittel angewiesen. Wenn diese Finanzierung versiegt, schwindet auch ihre Fähigkeit, künftige Cashflows aus diesen Investitionen zu generieren. Eine ähnliche Dynamik kann entstehen, wenn die Kosten des Schuldendienstes steigen und die Fähigkeit eines Unternehmens, in die Zukunft zu investieren, beeinträchtigen. Für eine Reihe von Unternehmen hängt die Realisierbarkeit vieler ihrer geplanten Projekte vom Zusammenspiel zwischen den von ihnen erwarteten Kapitalrenditen aus diesen Projekten und ihrer Fähigkeit zur Finanzierung dieser Projekte ab. Wenn die erwartete Rendite unter die Kosten für die Finanzierung fällt, werden viele Projekte unrentabel. Cashflows, die ein Anleger in einem Umfeld niedrigerer Zinsen vernünftigerweise erwarten könnte, werden sich nun nicht mehr materialisieren. Dies würde einen dauerhaften Kapitalverlust darstellen.
Demgegenüber sind Quality Growth Unternehmen profitabel, haben hohe erwartete Renditen auf ihre Anlagen, wenig oder keine Schulden und finanzieren sich im Allgemeinen mit ihren eigenen Cashflows. Diese Eigenschaften bedeuten, dass Unternehmen weit besser gegen das Zinsumfeld abgeschirmt sein sollten. Ihre hohen Renditen auf das investierte Kapital bedeuten, dass sie auch dann weiter in ihr Unternehmen investieren, wenn die Kapitalkosten steigen. Das heißt, ihre Fähigkeit, künftige Cashflows zu generieren, wird von steigenden Zinsen weitgehend unbeeinträchtigt bleiben.
Fazit
Quality Growth Anleger können Trost aus der Tatsache ziehen, dass die Unternehmen, in die sie investiert haben, von einem geringeren Risiko profitieren, dass diese Unternehmen nicht durch Marktzyklen, Änderungen im Zinsumfeld oder durch Liquiditätsereignisse dauerhaft geschädigt werden. Wenn Aktienkurse in derartigen Situationen fallen, dann erleben Anleger, dass die zukünftigen Renditen ihrer Anteile steigen. Der deutliche Rückgang der Bewertungen von Unternehmen zu einem Zeitpunkt, zu dem ihre Gewinne stabil geblieben sind, bedeutet, dass ein langfristiger Anleger dieselben Cashflows zu einem weitaus günstigeren Preis kaufen kann. Ähnlich wie bei einer fest verzinslichen Anleihe steigt bei einem Rückgang des Nennwerts dieser Anleihe ihre Rendite – in diesem Fall deutlich. Falls die Volatilität unerträglich wird, wären Anleger am besten beraten, ihr Heil nicht einfach in der Flucht zu suchen und dadurch einen dauerhaften Kapitalverlust zu realisieren, sondern stattdessen ihre Monitore auszuschalten und auf die zugrunde liegende Qualität der Unternehmen zu vertrauen, in die sie investiert haben.
T. Seilern,
30th November, 2022
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